swa historisch: Die gefährlichste Arbeit im Gaswerk
Extreme Hitze, Kohlestaub und stinkende Schwefelmasse: Die Arbeit im Gaswerk war hart und beschwerlich – und manchmal auch gefährlich. Die spannende Entwicklung des Areals von der Gasproduktionsstätte zum Zentrum für Kultur und Kreativität – Teil 4.
- Teil 1: swa historisch: Das Gaswerk entsteht lesen
- Teil 2: swa historisch: Spatenstich in Oberhausen lesen
- Teil 3: swa historisch: Heiße Kohlen und tonnenweise Koks lesen
Die Steinkohle, die die Werkseisenbahn für die Gasproduktion auf das Gaswerksgelände lieferte, hat bereits einige Stationen hinter sich. Die Kohle wurde im Ofenhaus unter extremer Hitze entgast und verwandelte sich zu Koks. So entstand das sogenannte Rohgas, das schließlich im Kühlergebäude heruntergekühlt wurde. Doch bis das Gas endgültig ins Netz eingespeist werden konnte, fehlte noch ein wichtiger Schritt.
Das Apparatehaus: Nebenprodukte werden herausgefiltert
Das Rohgas enthielt noch einige Nebenprodukte, die in mehreren Stufen herausgefiltert bzw. herausgewaschen wurden. Das waren hauptsächlich Teer, Ammoniak, Benzol, Naphtalin und Schwefel. Vom Kühlergebäude wurde das Rohgas zuerst zur Reinigung ins 600 Quadratmeter große Apparatehaus geleitet. Es heißt so, da hier verschiedene Apparate zur Reinigung standen, wie beispielsweise ein „Teerscheider“ und ein „Ammoniakwäscher“. Das Apparatehaus war eines der gefährlichsten Gebäude des Gaswerks, da durch die vielen verschraubten Rohre, Schieber und Maschinen ein Gasaustritt am ehesten vorkommen konnte. In der Decke sind deshalb extra Lüftungsöffnungen eingebaut worden, damit eventuell austretendes Gas sofort ins Freie entweichen konnte.
Das Reinigergebäude: Stinkende Schwefelmasse
Im Anschluss wurde das Gas in das Reinigergebäude geleitet, um den darin enthaltenen Schwefel zu entfernen. Es durchlief sogenannte Reinigerkästen, die eine Masse enthielten, die den Schwefel aufnahm. Noch heute kann man die Umrisse am Boden erkennen. Jeder Kasten hatte eine Größe von rund 56 Quadratmetern. Runde Löcher in der Decke des Reinigergebäudes weisen noch heute darauf hin, dass die Kästen durch den Dachboden von oben mit der Masse befüllt wurden. Gaswerksarbeiter mussten die Masse nach dem Reinigungsprozess von Hand aus den Kästen schaufeln. Durch den Schwefelgestank war das sehr beschwerlich. Die schwefelhaltige Masse wurde danach weiterverkauft und beispielsweise für die Herstellung von Streichhölzern verwendet.
Heute undenkbar: Früher wurde es teilweise sogar von Ärzten verordnet, dass Kinder mit Keuchhusten mit dieser schwefelhaltigen und nach faulen Eiern riechenden Reinigermasse spielen, um diese zu inhalieren.
Heute wären 100 Gaswerke nötig, um Augsburg mit Stadtgas zu versorgen
Fertig war das Stadtgas! Es wurde anschließend im Appartatehaus noch mit den großen Gaszählern gezählt und entweder direkt ins Netz eingespeist, oder in einem der Gasbehälter gespeichert. Das Gaswerk wurde 1915 technisch für eine Tagesleistung vom 50 000 Kubikmeter Stadtgas ausgelegt, das entspricht dem halben Inhalt des großen Gaskessels. 1957 konnte das Werk 280.000 Kubikmeter Stadtgas am Tag in 40 Öfen erzeugen. Heute verbraucht Augsburg an einem kalten Wintertag 100.000 Kubikmeter Erdgas in einer einzigen Stunde. Da Erdgas jedoch etwa den doppelten Brennwert von Stadtgas hat, bräuchten wir heute hundert solcher Gaswerke, um Augsburg mit Stadtgas aus Steinkohle zu versorgen. Bei der historischen Führung über das Gaswerksgelände erfahren Interessierte alles über die Geschichte des Areals direkt vor Ort.
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Fotos: Sammlung Franz Häußler