So kaufe ich eine Straßenbahn: die Bedarfsermittlung

In Teil 1 der Serie „So kaufe ich eine Straßenbahn“ dreht sich alles um die Bedarfsermittlung. Wie wird ein Projekt in dieser Größenordnung eigentlich ins Rollen gebracht? Wer entscheidet, wie viele Straßenbahnen gebraucht werden? Diese und weitere Fragen beantwortet swa Verkehrsexpertin Stefanie Rohde im Interview.

Wer sich ein neues Auto kaufen will, weiß, dass das mitunter schon eine schwere Aufgabe werden kann. Da stellt sich die Frage: Welches Modell passt zu meiner jetzigen Lebenssituation? Der Zweisitzer oder muss es doch der Familien-Van werden? Welche Farbe soll der neue Wagen haben und wie viel Geld kann ich überhaupt dafür ausgeben? Hinzu kommen noch Probefahrten und die Überlegung welche Innenausstattung unbedingt sein muss, bis man dann den Kaufvertrag unterschreibt.

Beim Kauf einer neuen Straßenbahn gestaltet sich der Prozess noch einmal deutlich komplizierter als beim Autokauf. Vor dieser Herausforderung stehen die Stadtwerke Augsburg (swa) momentan. Ab 2022 werden elf neue Straßenbahnen für die swa durch Augsburg fahren. Bis es aber von der Idee auf die Gleise geht, sind viele Arbeitsschritte nötig.

Am Anfang dreht sich zunächst alles um die Überlegung: Werden in den nächsten Jahren überhaupt neue Straßenbahnen gebraucht? Wer in die Prognosen miteinbezogen wird und welche Fragen vorab geklärt werden müssen, weiß die Bereichsleiterin der Stadtwerke Augsburg (swa) im Fahrbetrieb, Stefanie Rohde.

swa: Frau Rohde, die swa bekommen neue Straßenbahnen. Was waren denn die ersten Schritte, die unternommen wurden, um das Projekt ins Rollen zu bringen?

Stefanie Rohde (S.R.):

Die Grundlage für den Kauf neuer Straßenbahnen bildet der Nahverkehrsplan des ÖPNV. Hier legen Vertreter der Stadt Augsburg und der Region, politische Vertreter sowie die swa die Grundlage fest: welche Strecken müssen in Zukunft ausgebaut werden, in welchem Takt fahren die Fahrzeuge zu welcher Tageszeit oder wo kann etwas verbessert werden.

swa: Und wie kam es dann zum Beschluss, dass neue Straßenbahnen notwendig sind?

S.R.:

Der Nahverkehrsplan war hier der Leitfaden und gibt den groben Rahmen vor. Bei den Überlegungen war vor allem die Verlängerung der Linie 3 nach Königsbrunn ausschlaggebend. Man weiß, es kommen knapp fünf Kilometer zu unserem aktuellen Streckennetz dazu. Damit auf dieser Strecke auch Fahrgäste von A nach B befördert werden können, benötigt man natürlich auch Fahrzeuge. Dass wir neue Straßenbahnen brauchen, war also schnell klar.

swa: Woher weiß man, wie viele Fahrzeuge gebraucht werden?

S.R.:

Ich erkläre es mal an einem konkreten Beispiel mit der Linie 3: Zunächst wird berechnet, wie lang die Straßenbahn nach Königsbrunn und wieder zurück braucht. Das ist die sogenannte Umlaufzeit. Dann legen wir gemeinsam mit der Stadt, dem Landkreis und der Stadt Königsbrunn noch fest, in welchem Takt die Straßenbahnen die Haltestellen bedienen sollen. Das war es aber noch lange nicht: Wir müssen außerdem ausrechnen, wie schnell die Straßenbahn auf dem gesamten Streckenabschnitt fahren kann. Auf bestimmten Streckenabschnitten sind theoretisch schon mal 70 km/h möglich. Dies hängt aber von vielen Faktoren ab. Je nach Trassenführung, Umgebungsbedingungen, Ampelanlagen oder bei großen Steigungen geht es natürlich nicht so schnell vorwärts. Auch muss der Fahrgastwechsel an den Haltestellen mit in die Planung einbezogen werden. An einer normalen Haltestelle gehen wir beispielsweise von rund 20 Sekunden Ein- und Ausstiegszeit aus. Und aus all diesen Komponenten, einschließlich dem Fahrplan, lässt sich am Ende berechnen, wie viele Fahrzeuge für die neue Strecke benötigt werden.

swa: Sie sagen, dass verschiedene Gegebenheiten, wie zum Beispiel Autoverkehr, Fußgängerzonen oder Steigungen auf einer Trasse mitberechnet werden müssen, um zu berechnen, wie lang eine Straßenbahn für die geplante Strecke braucht. Wie wird die neue Strecke denn überhaupt ausgewählt?

S.R.:

Es ist ein großer Planungsaufwand, bis feststeht, wo die neue Linie entlangfahren soll. Natürlich muss eine gewisse Auslastung gegeben sein, sprich, es wird geprüft, wo der Bedarf einer Haltestelle von Fahrgästen gegeben ist. Es werden mögliche Varianten der Streckenführung untersucht und abgewogen. Hierfür wird in der Regel ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt, um Baurecht zu erhalten. Eine neue Strecke heißt aber nicht nur Gleise bauen. Da steckt viel mehr dahinter. Zum einen muss der Autoverkehr miteinberechnet werden. Zum anderen müssen auch Fahrrad- oder Fußwege oder auch Umweltbelange beachtet werden. Das Ganze ist wirklich hochkomplex und Bedarf einer langen und ausführlichen Planung.

Foto: swa / Thomas Hosemann

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