Nachhaltigkeit in Augsburg: „Wir machen Tempo"
Eva Webers Rezept für ein nachhaltiges Augsburg? Alle tragen ihren Teil dazu bei und die Stadt sorgt für die richtigen Rahmenbedingungen. Was genau dahinter steckt, verrät die Oberbürgermeisterin im Interview.
swa: Frau Weber, wenn Sie eine Maßnahme für ein nachhaltiges Leben in Augsburg aussuchen könnten, die von heute auf morgen umsetzbar wäre (Geld spielt keine Rolle): Welche wäre das und warum?
Eva Weber: Bevor ich hier in Träumereien verfalle, denke ich lieber über konkrete Dinge nach, die wir hier und heute umsetzen können. Da fällt mir nämlich einiges ein. Zum Thema klimaneutrale Mobilität zum Beispiel: Unser Nahverkehr in Augsburg ist CO2-neutral, Straßenbahnen fahren mit Ökostrom und Busse mit Biogas. Dazu gibt es flexible Angebote wie Carsharing oder Leihfahrräder. So kann man das eigene Auto öfter mal in der Garage lassen, oder man braucht vielleicht sogar gar kein eigenes (Zweit-)Auto mehr. ÖPNV und Fahrradwege müssen wir aber dringend weiter ausbauen – ohne die geht’s nicht.
swa: Wie definieren Sie für sich ganz persönlich Nachhaltigkeit? Und wie integrieren Sie das Thema in Ihren Alltag?
Eva Weber: Nachhaltigkeit ist für mich keine Option, sondern Alltag. Sie muss allen Prozessen und Entwicklungen in unserer Stadt und in der gesamten Stadtgesellschaft zugrunde liegen. Seit 2017 werden unsere Beschlussvorlagen auf ihre Nachhaltigkeit geprüft – dies wird übrigens von vielen OB-Kolleginnen und -Kollegen wahr- und zum Vorbild für andere Städte genommen. Ich habe das Thema in meinem privaten Alltag in vielen kleinen Handlungen integriert: Mich sehen Sie zum Beispiel privat ganz selten im Auto sitzen und wenn, dann ist es ein Carsharing-Fahrzeug. Als Innenstadtbewohnerin bin ich oft zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs. Und mein Trinkwasser kommt aus der Leitung. Außerdem vermeide ich wo es geht Einmalprodukte und kaufe überwiegend regional ein.
swa: Wie definieren Sie als Oberbürgermeisterin das Thema Nachhaltigkeit für Ihre Stadt?
Eva Weber: Wir vereinen in Augsburg das Beste aus Großstadt und Natur – und das müssen wir uns erhalten. Nachhaltigkeit bedeutet deshalb für mich als Oberbürgermeisterin zum einen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass unsere Stadt für die nächsten Generationen genauso lebenswert bleibt, wie sie es heute ist. Zudem ist Nachhaltigkeit neben Klima- und Umweltschutz heute aber zunehmend Wirtschaftsfaktor, Wettbewerbsfaktor und Standortvorteil, und deshalb gilt es, sie gesamtheitlich und mit Vernunft in die Entwicklungen der Stadt zu integrieren.
swa: Und mit welchen Maßnahmen wollen Sie dieses Ziel umsetzen?
Eva Weber: Wir haben in Augsburg schon vor langer Zeit viele Projekte und Maßnahmen ins Rollen gebracht – vom Start des Augsburger Agenda 21-Nachhaltigkeitsprozesses 1996 über den Beitritt der Stadt Augsburg 1998 zum Klima-Bündnis, über die Einrichtung einer eigenen Klimaschutzabteilung im Umweltamt 2003, bis hin zur Festlegung der Zukunftsleitlinien 2015 und verschiedenen Programmen zum Klimaschutz. Anfang dieses Jahres haben wir im Stadtrat ein Restbudget von 9,7 Millionen Tonnen CO2 beschlossen, das wir einhalten müssen. Wirkliche Veränderungen schaffen wir aber nur, wenn wir alle zusammenarbeiten – Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürger. Das Projekt „Blue City Augsburg“ bündelt, vernetzt und kommuniziert bestehende städtische und stadtnahe Aktivitäten und Projekte. In diesem Rahmen werden wir verschieden Formate und Möglichkeiten zum Mitmachen anbieten.
swa: Welche Rolle spielen hier die Stadtwerke Augsburg?
Eva Weber: Öffentlicher Nahverkehr, Strom, Wärme - das sind die Bereiche, bei denen vor allem CO2 anfällt. Die Stadtwerke haben hier in Augsburg die Hebel in der Hand, um CO2 zu vermeiden. So beim Thema Wärmeerzeugung zum Beispiel. Fernwärme ist ein wichtiger Baustein, weil sie umweltfreundlich ist. Dazu kommen noch die Ökostrom-Tarife und der klimaneutrale ÖPNV. Das alles sind Angebote mit einer enormen CO2-Ersparnis. Aber da geht noch mehr, wenn sich auch Haushalte und Unternehmen aktiv für die nachhaltigen Angebote entscheiden.
swa: Wo läuft es in Sachen Nachhaltigkeit in Augsburg schon recht gut – und wo könnte man noch mehr tun?
Eva Weber: Das Augsburger Trinkwasser ist eines der besten Europas. Immer mehr Unternehmen steigen auf Fernwärme und Ökostrom um. Es freut mich sehr, dass hier auch die Wirtschaft mehr und mehr ihren Beitrag leistet. Außerdem haben wir in der Stadtverwaltung ein Büro für Nachhaltigkeit eingerichtet, in dem alle Ideen für eine nachhaltige Stadt gebündelt werden – das haben nicht viele Städte. Gut aufgestellt sind wir auch beim bereits angesprochenen Thema Mobilität. Wir bieten viele umweltfreundliche Alternativen zum Kfz-Verkehr und Carsharing-Angebote mit Elektrostrom, die Busse fahren seit 2011 teilweise, seit 2014 ausschließlich mit Biogas, Straßenbahnen werden seit 2018 durch 100% Ökostrom angetrieben. Aber ganz klar: Wir müssen das Fahrradfahren noch attraktiver machen, indem wir zum Beispiel mehr Radwege und Fahrradabstellplätze schaffen. Wir müssen auch den ÖPNV weiter ausbauen und noch attraktiver machen.
swa: Und welche Rolle spielt jeder einzelne Bürger? Was wünschen Sie sich von den Augsburgerinnen und Augsburgern?
Eva Weber: Jede Augsburgerin und jeder Augsburger spielt eine zentrale Rolle im Nachhaltigkeitsprozess. Ich würde mir wünschen, dass wir uns alle öfter mal bei unseren Alltagsroutinen selbst hinterfragt: Muss ich den Weg jetzt mit dem Auto zurücklegen oder kann ich mit dem Fahrrad oder Bus fahren? Muss es das Sixpack Wasser aus dem Getränkemarkt sein oder trinke ich das Wasser aus der Leitung? Muss es sofort das neueste Smartphone sein? Kann ich beim Einkaufen auf Verpackung verzichten? Es gibt so viele Möglichkeiten, die man im Kleinen angehen und ändern kann, und die – wenn sich viele beteiligen – zu einem gesellschaftlichen Änderungsprozess führen.
Fotos: Stadt Augsburg